j x v z m u d a   ( p )  2 0 0 4  

 

 

 

 

_________________________________________

 

 


RASSISMUS - Erklärung in drei Worten

Neger · Jude · Asylant

 

 

_________________________________________

 

 

RASSISMUS
- drei Versuche einer Definition

I.

Rassismus bezeichnet eine Geisteshaltung bzw. entsprechende Ideologien und Diskurse, die die Menschheit aufgrund äußerer Merkmale wie Hautfarbe oder Gesichtszügen in "Rassen" teilen.

 

II.

Alltagsrassismus ist die Übernahme von Rassismus in alltägliche Situationen durch Denk- und Handlungsformen, welche die dahinter liegenden Machtstrukturen stabilisieren und verfestigen. Es handelt sich dabei um einen Prozess, bei dem Rassismus in all seinen Ausformungen nicht mehr befragt wird und von den dominierenden Gruppen als "normal" und allgemein gebräuchliches Verhaltensmuster betrachtet wird.

 

III.

Es ist davon auszugehen, dass Rassismus immer dann vorliegt, wenn bestimmte koerperliche Merkmale oder Eigenschaften qualitativ bewertet werden, z.B. wenn Hautfarben Rueckschluesse auf die geistigen Potenzen geben sollen. Des weiteren liegt Rassismus dann vor, wenn gelerntes Verhalten, z.B. Intelligenz, naturalisiert, d.h. als angeboren unterstellt wird. Diese Arten des Rassismus bezeichnet man auch als genetischen Rassismus. Rassismus liegt z.B. auch vor, wenn behauptet wird, dass Frauen per se weniger Rationalitaet, dafuer von Geburt an aber mehr Gefuehl zukomme als Maennern usw. Neben dem genetischen Rassismus gibt es einen sogenannten kulturellen Rassismus. Er liegt immer dann vor, wenn bestimmte Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebraeuche anderer als negativ abweichend deklariert werden.

 

 

 

_________________________________________

 

 

 

RASSISMUS - drei Versuche keiner Definition


I.

Was rassistische Argumentationsmuster anbelangt, scheint sich in den letzten Jahrzehnten ein Wandel bzw. eine Verschiebung vollzogen zu haben: Die Behauptung der Existenz unterschiedlicher Rassen, die in eine Wertehierarchie zu bringen seien, wird kaum mehr ernsthaft propagiert, nicht zuletzt da in wissenschaftlichen Diskursen derartige Thesen erheblich an Gewicht verloren haben. Der Hauptakzent wird also nicht mehr auf biologische Ungleichheiten gelegt, sondern auf kulturelle Differenzen, die ihrerseits verabsolutiert werden. Bereits hier liegt die Frage nahe, ob diese Verabsolutierung nicht die Differenzen wieder naturalisiert, d.h. ob es angesichts dessen überhaupt angemessen ist, dieses Phänomen mit dem Terminus der Verschiebung zu bekleiden. Der "traditionelle" Rassismus operierte also mit einem biologistischen Kategoriengerüst, d.h. es wurde ausgegangen von einem biologischen Determinismus des Sozialen wie des Kulturellen sowie von einer Annahme natürlicher Ungleichheit zwischen menschlichen Gruppen bzw. Rassen, die in ein hierarchisches Klassifikationsschema gepreßt wurden. Dagegen stritt ein Antirassismus, der sehr stark relativistisch argumentierte und den Wert kultureller Vielfalt betonte, die er als Bereicherung menschlicher Existenz begriff. Zentrale Prinzipien waren dabei die Unabhängigkeit kultureller Phänomene, ein kultureller Determinismus von mentalen Strukturen und Lebensformen sowie die Gleichwertigkeit aller Kulturen. Dieser differentialistische Relativismus wurde von der "Gegenseite" absorbiert, und es entstand ein sich strikt antirassistisch gerierender Neorassismus, der für sich in Anspruch nahm, kulturelle Identitäten zu verteidigen, ein Loblied auf die Differenz anstimmte und für ein "Recht auf Differenz" einzutreten begann. Er übte Kritik an einem "egalitaristischen" Antirassismus, der durch seinen universalistischen Anspruch jegliche Differenz ausmerze. Auf diese Weise konnten sich Positionen in ein emanzipatorisches Mäntelchen hüllen (Stichwörter "Selbstbestimmungsrecht der Völker", Kampf dem "Ethnozid" bzw. dem "kulturellen Genozid"), die in letzter Konsequenz auf die Konstatierung einer radikalen Irreduzierbarkeit, Unvergleichbarkeit, Inkommunikabilität, ja Inkommensurabilität der einzelnen Kulturen hinausliefen, woraus sie die Notwendigkeit einer absoluten Trennung ableiteten. Als allgemeine Charakteristika des "kulturalistischen" Neorassismus können die folgenden idealtypisch genannt werden:

1. Es findet eine Verschiebung statt von biologischen Kategorien wie Rasse zu kulturellen Phänomenen, wobei Kultur dann die Funktion einer Art zweiter Natur übernimmt. Vorstellungen von "rassischer Reinheit" werden ersetzt durch die Glorifizierung authentischer "kultureller Identität".

2. Es ist nicht mehr die Rede von "Ungleichheit", sondern von "Differenz". Dadurch wird suggeriert, es gebe keine Hierarchien zwischen dem Differenten, sondern die einzelnen Kulturen seien jede für sich in ihren spezifischen Merkmalen gleichwertig. Differenzen als solche werden dabei als positive Norm gesetzt, da sie Garanten seien eines unermeßlichen schöpferischen Reichtums.

3. Vermehrt treten heterophile (Lob der Andersartigkeit etc.) Äußerungen anstelle von heterophoben auf den Plan. Rassistische Verhaltensweisen aktiver Distanzierung wie z.B. Kontaktverweigerung, soziales Ausweichen, "Entmischung",z.B. im Sinne panischer Angst vor Mischehen können sich durchaus mit heterophilem Anstrich präsentieren.

4. Die Art und Weise, wie sich Rassismus alltäglich manifestiert, modifiziert sich in Richtung eher symbolischer, indirekter Ausdrucksformen. Die direkten Formen weichen eher Unterschwelligem, Implizitem, Konnotiertem. Als Paradebeispiel hierfür kann Antisemitismus in Deutschland nach 1945 dienen. Aufgrund der massenhaften Eliminierung von JüdInnen durch deutsche Hand während des Zweiten Weltkriegs war offener Antisemitismus in hegemonialen gesellschaftlichen Kreisen weitgehend tabu. Daraus ist jedoch keinesfalls zu schlußfolgern, daß er nicht mehr existent war. Vielmehr lebte er fort in krypto- antisemitischen Äußerungen, z.B. in verbalen Attacken auf Amerika, die Intellektuellen, das Finanzkapital, die Macht der liberalen Medien oder in Kontrastierungen von "Raffgesellschaft" versus "Leben der Nation". Was den charakterisierten differentialistischen, kulturalistischen Rassismus in Analogie zu seinen biologistischen Vorfahren treten läßt, ist die Annahme einer Determinierung des Individuums durch größere Entitäten, d.h. das Individuum wird reduziert auf die Repräsentation einer überindividuellen Totalität. Diese Analogie verweist noch einmal auf die bereits oben aufgeworfene Frage, ob es sich beim Übergang von biologischem zu kulturellem Rassismus überhaupt um eine Verschiebung handelt. Denn wenn auch die kulturalistische Variante meist von sich behauptet, sich expliziter Wertungen zu enthalten, so zielt ihre Verabsolutierung von kulturellen Differenzen, ihre Betonung prinzipieller Unvereinbarkeiten, auf eine Trennung von Assimilierbarem und nicht Assimilierbarem ab, deren praktische Konsequenzen unmittelbar in Barbarei münden. Handfeste rassistische Übergriffe sind aus dieser Perspektive betrachtet nichts anderes als natürliche, anthropologisch fundierte Abwehrreaktionen, sobald die Gefährdung der eigenen Kultur durch "Nicht-Assimilierbare" eine bestimmte Toleranzschwelle überschritten hat.

 


II.

Rassismus ist ein Herrschaftsverhältnis, das symbolische und gesellschaftliche Ordnung strukturiert, d.h. Institutionen, die Körper sozialer AkteurInnen und Formen der Bedeutungsgebung. Zu den Institutionen zählen u.a. staatliche Institutionen, Gesetzgebung, Bildungssystem, aber auch beispielsweise insitutionalisierte Formen des Zusammenlebens wie die heterosexuelle Ehe oder Kernfamilie. Verinnerlicht wird Rassismus als Herrschaftsverhältnis über den Habitus, d.h. in Form von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata. Wichtig ist m.E., Rassismus, rassistische Verhältnisse und Rassialisierungsprozesse nicht darauf zu reduzieren, Wirkung oder Ergebnis des Bewusstseins von Individuen zu sein. Das bedeutet nicht, die Einzelnen von ihrem Beitrag zur Reproduktion von rassistischen Verhältnissen auszunehmen, oder ihnen die Entscheidungsfähigkeit und Verantwortung für ihr Tun abzusprechen. Vielmehr geht es darum, sie als soziale AkteurInnen aufzufassen, d.h. ihr Denken und Handeln in ihrer sozialen, geopolitischen und historischen Bedingtheit zu begreifen. Innerhalb eines derart gesteckten Rahmens liegen die Möglichkeiten für Entschei-dungen der Einzelnen. Eine langfristige Veränderung rassistischer Verhältnisse erfordert aber über das Handeln der Einzelnen hinausgehende institutionelle Umwälzungen und vor allem den Umsturz der symbolischen Ordnung.

Rassismus ist eine Unterdrückungsform, vermittels derer eine gesellschaftliche Gruppe (meist sich selbst als „Weiß“ definierend) über andere Gruppen (die meist als „nicht-Weiß“ fremdbestimmt werden) institutionalisierte Macht ausübt. Auf der Grundlage fiktiver Unterschiede erfindet die gewaltausübende Gruppe menschliche „Rassen“ und verabsolutiert und wertet sie. Damit legitimiert sie sowohl den Besitz von bzw. den Anspruch auf Privilegien als auch die Ausübung von Gewalt gegenüber den als „minderwertig“ bzw. „anders“ konstruierten Gruppen. Von Rassismus kann nur dann gesprochen werden, wenn die Gruppe, die „Rassen“ konstruiert und bewertet, auch die Macht hat, diese Konstruktion gesellschaftlich durchzusetzen. Rassismus prägt alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens: Gesetze, Bestimmungen, Anschauungen und Verhaltensweisen.

Eine Perspektive, die Rassismus allein im Sinne einer Machtausübung ‚Weißer’ über ‚Nicht-Weiße’ oder als Praxis ‚Weißer’ fasst, verkürzt m.E. die Qualität von Macht, die in ihn impliziert ist. Hinzuzudenken sind zum Einen strukturelle Bedingungen globaler Ungleichheit entlang Linien von ‚Hautfarbe’, die einen Nährboden für das Fortbestehen und die gesellschaftliche Durchsetzungsfähigkeit rassistischen Gedankenguts und von Diskriminierung bilden. Zum Anderen aber auch seine Wirkmächtigkeit als hegemonialer Diskurs – als Macht, die durch die Subjekte wirkt, die er als ‚Weiße’ / ‚Nicht-Weiße’ hervorbringt. Diese wird von ihnen nicht automatisch voll übersehen oder kontrolliert. Daher kann das Machtverhältnis ‚weiß / nicht-weiß’, das die diskursive und objektivierte soziale Struktur von Rassismus ausmacht, sowohl von ‚Weißen’ als auch von ‚Nicht-Weißen’ reproduziert werden (zugunsten ‚Weißer’ und zuungunsten ‚Nicht-Weißer’ als im Prozess seiner Reproduktion immer neu konstituierte ‚Gruppen’). Über dieses Machtverhältnis als solches und über Machtausübung ‚Weißer’ hinaus ist es deshalb wichtig, auch das Verhältnis zwischen Rassismus und Antirassismen als Diskursen und politischen Handlungsformen zu fokussieren: wie kann eine politische Opposition gegen Rassismus es vermeiden, von ihm geprägte Denkmuster zu reproduzieren? Eine solche stärker strukturelle Perspektive darf jedoch nicht das ungleiche Verhältnis ‚Weißer’ und ‚Nicht-Weißer’ zu Rassismus und zu Antirassismen negieren - noch die Verantwortlichkeit ‚Weißer’.

Jede Definition von Rassismus muss sich m.E. auf den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext beziehen und (selbst)kritisch Tendenzen innerhalb politischer Bewegungen sowie For-schungsansätzen analysieren. In der Weißen bundesdeutschen Rassismusforschung ist die Tendenz nicht zu übersehen, Weißsein aus den Definitionen gänzlich auszublenden, d.h. nicht nur die Verantwortung Weißer für die Fortschreibung von Rassialisierungsdynamiken diskursiv unsichtbar zu machen, sondern ebenso Rassismus ahistorisch zu fassen, indem er quasi irgendwann einmal „vom Himmel fiel“. Damit negieren Weiße ForscherInnen, dass bestimmte Gruppen von Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt „Rassen“ erfanden und sich selbst als „Weiß“ an die Spitze setzten. Damit ist nicht bestritten, dass wir es heute mit einem hegemonialen Diskurs zu tun haben, dessen Wirkmächtigkeit nicht von einzelnen Subjekten vollständig übersehen werden kann. Die strukturelle Perspektive hat die Aufgabe, aufzuzeigen, auf welche Weise Weiße Privilegien naturalisiert werden und wie sie in gesellschaftlichen Institutionen eingelassen sind. Die Gefahr jedoch ist, dass dieser Fokus vernachlässigt, dass Vergesellschaftungsprozesse immer unvollständig und brüchig verlaufen, d.h. mir geht es auch um Potentiale für Verschiebungen hegemonialer Subjektpositionen. Fazit: Die Anerkenntnis der Tatsache, dass es sich bei Rassismus um eine umfassende hegemoniales Machtsystem handelt, ist zu verknüpfen mit der Anerkenntnis der Tatsache, dass dieses System nicht total ist. Für Weiße folgt daraus die Aufgabe, Potentiale aufzuspüren bezüglich widerständigen Handelns auf der Basis einer rassismuskritischen, nie abgeschlossenen Analyse.

 


III.

Um Menschen wegen ihrer geschlechtlichen oder ethnischen oder "rassischen" Gruppenzugehörigkeit zu marginalisieren, zu unterdrücken oder gar auszurotten, werden und wurden oft auch noch andere Legitimationskonstrukte verwendet; oft ergänzten sich, wie im Falle des europäischen Antisemitismus, christliche, kulturalistische, nationalistische, sexistische und rassistische Legitimationen. In Bezug auf die Diskussion um den "neuen Rassismus" will ich lediglich festhalten, daß dieser sich heute eher über Kulturunterschiede als über die Feststellung der Existenz von "Rassen" definiert. Diesen "neuen Rassismus" nennt Etienne Balibar "racisme differentialiste", weil er von der Unterschiedlichkeit und Unveränderlichkeit von Kulturen ausgeht, von einem unveränderlichen und unverrückbaren Bestimmt-Sein der Menschen durch ihren Ursprung. Im differentialistischen Rassismus vermengen sich äußerlich sichtbare ethnische und kulturelle Kategorien und werden als naturgegeben definiert (zu einer genaueren Auseinandersetzung siehe Leiprecht 1991, S. 5-21). Der wichtigste Unterschied zwischen dem "alten" und dem "neuen" Rassismus besteht sicherlich darin, daß keine höherstehenden "Menschenrassen" mehr konstruiert werden, sondern daß man davon ausgeht, daß Menschen aus anderen Kulturen sich von uns unterscheiden, eben "anders" sind. Dabei wird ein deutlicher Unterschied gemacht zwischen "unserem" westlichen Lebensstil und dem Lebensstil der "Anderen". Unser Lebensstil, die aufgeklärte Kultur des westlichen Abendlandes, zeichnet sich angeblich durch ihre Individualität und Rationalität und durch eine starke Neigung zu Homogenität aus. Dagegen wird am Lebensstil der Fremden vor allem deren kollektive Organisationsform betont. Diese dichotomische Gegenüberstellung, hier das Individuum und seine Entwicklungschancen und bei den "Anderen" der Kollektivismus, der sich auszeichnet durch sozialen Gruppendruck, hat gewissermaßen den "Vorteil", daß die Europäer nicht unbedingt auf die Überlegenheit der eigenen Kultur hinzuweisen brauchen. Im Begriff des Anderssein verdeutlicht sich ja schon die Weigerung der "Anderen", sich unserem Lebensstil anzupassen. Die "Vorteile" einer solchen Betrachtungsweise für "unseren" Kulturkreis liegen auf der Hand: "Als die implizit überlegenen Kulturen gelten diejenigen, die den sozialen und politischen Individualismus fördern, im Gegensatz zu denjenigen Kulturen, die ihn hemmen und einengen. Die überlegenen Kulturen wären demnach diejenigen, deren 'Gemeinschaftsgeist' von nichts anderem als vom Individualismus gebildet wird." (Balibar 1989, S. 77) In den Auseinandersetzungen über Kulturdifferenzen zeigen sich nun aber auch sehr deutlich die Unterschiede zwischen den sexistischen und rassistischen Konstruktionen. Im Gegensatz zu ethnischen und kulturellen Gruppen können Frauen nicht als eine natürliche kulturelle Gemeinschaft dargestellt werden. Sexismus stützt sich in erster Linie auf genetische Differenzen zwischen Mann und Frau, und konstruiert daraus den sozialen Unterschied. Es geht hierbei nicht um die kollektiven kulturellen Unterschiede zwischen Gruppen. Darum können auch innerhalb der kulturellen Gemeinschaften jeweils wieder die Geschlechterunterschiede betont werden. So entstehen dann vor allem die Theorien, die davon ausgehen, daß "wir", in "unserer" westlichen Kultur eine völlig andere Form und Ausprägung von Männlichkeit und Weiblichkeit entwickelt haben. Darauf werde ich gleich näher eingehen. Festzuhalten bleibt, daß die pluralistische moderne Gesellschaft, trotz ihres ausdrücklichen Anspruchs, keine sozialen Unterschiede mehr zu machen - zumindest nicht auf der Basis von Geschlechtszugehörigkeit oder der Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder sozialen Gruppe (Klasse) - diesen Anspruch nicht einlösen kann. Es ist sogar anzunehmen, daß die sichtbaren Unterschiede, wie zum Beispiel andere soziale Umgangsformen, Essen, Kleidung und Religion, die sogenannten kulturellen Praxen, sowie die Reaktion auf körperliche Unterschiede in der subjektiven Praxis in unserer Gesellschaft eine immer stärkere Rolle spielen werden. Bestimmte äußerliche Merkmale werden vermutlich deshalb immer wichtiger, gerade weil sich parallel dazu der öffentliche Diskurs über Gleichheit und Gerechtigkeit von solchen Äußerlichkeiten distanziert.

 

 

 

_________________________________________

 

 

 

 


Sprache des Rassismus - Eine Diskussion

 
  Beitrag 1 aus der Diskussionsgruppe
Von:Holger Voss (hvoss@muenster.de)
Betrifft:Re: Rassismus der Sprache


View this article only
Newsgroups:de.org.ccc
Datum:1999/11/26


On 26 Nov 1999 08:43:24 GMT, lutz@iks-jena.de (Lutz Donnerhacke) wrote:
>
>["Farbige", "Neger", "Nigger" usw.; HV]
>
>An der Westküste der USA habe ich gelernt, daß man 'Neger' als abwertend und
>'Nigger' als kollegial betrachtet. Zumindest untereinander.

Meines Wissens: nur untereinander.
Das ist der Versuch, ein Schimpfwort (was "Neger" historisch gesehen
nunmal ist) fuer sich selbst umzudefinieren. Aehnlich wie es z. B.
"Krueppel-Gruppen" in den 80ern in der BRD getan haben: Eine sprachliche
Stigmatisierung wird duch Aneignung des Begriffes entkraeftet.
"Neger" ist m. E. nach wie vor ein rassistischer Begriff.

Wenn ein Schwuler zu einem anderen augenzwinkernd sagt "Na, Du schwule
Sau", dann ist das eben etwas anderes, als wenn ein Hetero / eine Hetera
einen Schwulen so anredet.

Weiteres Beispiel: der Begriff "Hure". Im allgemeinen Sprachgebrauch
fast immer abwertend gebraucht, von Organisationen wie "Hydra"
selbstbewusst zur Eigendefinition umdefiniert.


Holger

--
Soldaten sind Moerder!

Beitrag 2 aus der Diskussionsgruppe
Von:Holger Voss (hvoss@muenster.de)
Betrifft:Re: Rassismus der Sprache


View this article only
Newsgroups:de.org.ccc
Datum:1999/11/26

On Fri, 26 Nov 1999 20:37:53 GMT, hvoss@muenster.de (Holger Voss) wrote:
>
> Das ist der Versuch, ein Schimpfwort (was "Neger" historisch gesehen
>nunmal ist) fuer sich selbst umzudefinieren.

Ich meinte "Nigger", nicht "Neger".


Holger

--
Soldaten sind Moerder!

Beitrag 3 aus der Diskussionsgruppe
Von:Thorsten Kampe (thorsten_kampe@hotmail.com)
Betrifft:Re: Rassismus der Sprache


View this article only
Newsgroups:de.org.ccc
Datum:1999/11/27

> Das ist der Versuch, ein Schimpfwort (was "Neger" historisch gesehen
> nunmal ist) fuer sich selbst umzudefinieren.
> [...]
> "Neger" ist m. E. nach wie vor ein rassistischer Begriff.

"Neger" war in ** Deutschland ** nie ein Schimpfwort bis einige
"Alternative" in den Achtzigern anfingen, dies zu behaupten. Neger kommt
auch nicht von "Nigger", sondern von lateinisch "niger", was nichts
anderes als "schwarz" heisst.

[Kleiner Exkurs]

Der Ablauf war hier, wie bei vielen anderen, folgendermaßen:

Erst nimmt man ein Wort, daß von vielen schon seit langem benutzt wird.
(Zigeuner, Kambodscha, Lappen, Krueppel etc.)

Dann behauptet man, dass

- dies nicht die "richtige" Bezeichnung sei
(Kambodscha - Kamputschea)

- die Gruppe sich selbst anders bezeichne
(Lappen - Samen, Eskimos - Inuit)

- es als Schimpfwort gebraucht werde
(Zigeuner, Krueppel)

Nun kann man all diejenigen, die diese Wörter bisher arglos benutzt
haben, pruegeln. "Weisst Du nicht, dass man nicht mehr XXX sagt? XXX ist
eine Beleidigung."

Der ** Sinn ** dahinter ist schlicht und einfach: MACHT.
"ICH sage jetzt YYY statt XXX und ICH will, dass Du jetzt auch immer YYY
sagst. Wenn nicht, dann gibt's Pruegel."

"Spring, du Trottel und zwar gefaelligst, wohin und wann ICH es Dir sage!"

Natürlich sind Krueppel verkrueppelt. Jetzt sagt man "behindert". Seit
einiger Zeit liest man oefters, Behinderte seien eigentlich nicht
behindert, sondern ** wuerden ** behindert. "Gib Pfoetchen, du Trottel!"

Auch "Zigeuner" war nie ein Schimpfwort. Natuerlich gab es Leute, die
Zigeuner nicht mochten und dann diese ** Bezeichnung_als_Beschimpfung **
gebraucht haben. Wenn ich Beamte nicht mag, kann ich selbst das als
Beleidigung gebrauchen. Trotzdem ** ist ** "Beamter" keine Beleidigung.


Thorsten
Beitrag 4 aus der Diskussionsgruppe
Von:Hans Bonfigt (bonfigt.ses-koeln@t-online.de)
Betrifft:Re: Rassismus der Sprache


View this article only
Newsgroups:de.org.ccc
Datum:1999/11/27

Thorsten Kampe wrote:
>
> Neger kommt auch nicht von "Nigger", sondern von lateinisch "niger",
> was nichts anderes als "schwarz" heisst.

'Nigger' duerfte allerdings die gleiche Wortwurzel haben.

Aber _nichts_desto_trotz_ :

> Natürlich sind Krueppel verkrueppelt. Jetzt sagt man "behindert".
> Seit einiger Zeit liest man oefters, Behinderte seien eigentlich
> nicht behindert, sondern ** wuerden ** behindert. "Gib Pfoetchen,
> du Trottel!"

Das war seit langem ueberfaellig. Wodurch man alles zum Faschisten
stilisiert wird, und zwar von notorischen Flachpfeifen wie Burks,
Voss, etc., ist unertraeglich.

Das Schlimme ist: Diese ganze Lamentiererei greift jetzt auch auf
_Inhalte_ ueber. Wenn jemand z.B. sagt, er koenne Schwule nicht
leiden, so ist er gleich ein Faschist. Zum Teufel ! Es ist das
gute und, so paradox es klingen mag, schuetzenswerte Recht eines
jeden Einzelnen, jemanden zu moegen oder nicht zu moegen, aus wel-
chen Gruenden auch immer. Erst, wenn derjenige ganz konkret et-
was gegen "Schwule" unternimmt, _dann_ kann man darueber diskutie-
ren, ob man von Faschismus reden kann.


Von irgendeiner bekannteren Persoenlichkeit, u.U. Oscar Wilde,
soll folgender Satz stammen:

"Es ist schon schlimm genug, unter einer Diktatur der Unanstaendigen
zu leben.

Aber Gott schuetze uns vor der Diktatur der Anstaendigen !"

Gruss, Hans Bonfigt
Beitrag 5 aus der Diskussionsgruppe
Von:Burkhard Schroeder (burks@BURKS.de)
Betrifft:Re: Rassismus der Sprache


View this article only
Newsgroups:de.org.ccc
Datum:1999/11/27

Berlin-Kreuzberg, 27.11.99
bonfigt.ses-koeln@t-online.de schrieb am 27.11.99:

>Es ist das gute und, so paradox es klingen mag,
>schuetzenswerte Recht eines jeden Einzelnen,
>jemanden zu moegen oder nicht zu moegen, aus wel-
>chen Gruenden auch immer.

Sage mir, wen du magst, und ich sage dir, wer du bist. Wen magst du sonst
nicht? Schwule, Neger, Juden...also Behinderte magst du auch nicht? Was
ist mit Zigeunern? Magst du Zigeuner?

BTW: Oscar Wilde war schwul.

Burks
--
http://www.burks.de/ * burks@burks.de * PGP-Key available!


Beitrag 6 aus der Diskussionsgruppe
Von:Burkhard Schroeder (burks@BURKS.de)
Betrifft:Re: Rassismus der Sprache


View this article only
Newsgroups:de.org.ccc
Datum:1999/11/28

Berlin-Kreuzberg, 28.11.99
Jan.Scholz@t-online.de schrieb am 27.11.99:

>Es geht bestimmt darum, dass irgendwelche Leute versuchen, anderen
>ihre Weltanschauung aufzubuerden.
>
>Sowas finde ich laestig, obwohl ich diese Leute nicht unbedingt hasse.

Uneingeschränkte Zustimmung. Wenn aber jemand öffentlich behauptet, er
möchte keine Juden, Zigeuer, Neger und Schwule, kann er diese
"Weltanschauung" gern haben und ich würde auch kläglich scheitern, ihm
meine überzustülpen. Ich möchte aber, dass die Person wenigstens das Maul
hält (keine konkrete Person gemeint), weil ich die Risiken und
Nebenwirkungen dieser Weltanschauung kenne.

Burks
--
http://www.burks.de/ * burks@burks.de * PGP-Key available!


Beitrag 7 aus der Diskussionsgruppe
Von:Werner Michaelis (wmichaelis@gmx.de)
Betrifft:Re: Rassismus der Sprache


View this article only
Newsgroups:de.org.ccc
Datum:1999/11/28

Burkhard Schroeder wrote:
> Jan.Scholz@t-online.de schrieb am 27.11.99:
> >Es geht bestimmt darum, dass irgendwelche Leute versuchen, anderen
> >ihre Weltanschauung aufzubuerden.
> >Sowas finde ich laestig, obwohl ich diese Leute nicht unbedingt hasse.>
> Uneingeschränkte Zustimmung. Wenn aber jemand öffentlich behauptet, er
> möchte keine Juden, Zigeuer, Neger und Schwule, kann er diese
> "Weltanschauung" gern haben und ich würde auch kläglich scheitern, ihm
> meine überzustülpen. Ich möchte aber, dass die Person wenigstens das Maul
> hält (keine konkrete Person gemeint), weil ich die Risiken und
> Nebenwirkungen dieser Weltanschauung kenne.

Damit bedienst Du Dich einer Methode, die eben diese Weltanschaungen
auf das hervorragendste selbst kultiviert haben:
wer immer der h.M. nicht folgt, hat sein Recht auf Meinungsfreiheit
verwirkt.

Freiheit ist immer die Freiheit der anders Denkenden.
(R. Luxemburg).

Die Grenze ist allgemeines (Straf-)Recht, sonst nichts.

mfG Werner Michaelis
Beitrag 8 aus der Diskussionsgruppe
Von:Burkhard Schroeder (burks@BURKS.de)
Betrifft:Re: Rassismus der Sprache


View this article only
Newsgroups:de.org.ccc
Datum:1999/11/28

Berlin-Kreuzberg, 28.11.99
wmichaelis@gmx.de schrieb am 28.11.99:

>wer immer der h.M. nicht folgt, hat sein Recht auf Meinungsfreiheit
>verwirkt.

Das meine ich nicht. "Maul halten" ist nur salopp formuliert. Meint:
derjenige merkt, dass alle anderen es nicht hören wollen und schweigt
deshalb. Nazis werden erst dann laut, wenn sie das Gefühl haben, dass die
anderen denken, was sie sagen.

>Die Grenze ist allgemeines (Straf-)Recht, sonst nichts.

Unstrittig. Ich vertrete die amerikanische Version der Meinungsfreiheit.
Trotzdem darf ich meinen klammheimlichen Wunsch äussern, dass ich es am
liebsten hätte, wenn Rassisten das Maul hielten.

Burks
--
http://www.burks.de/ * burks@burks.de * PGP-Key available!

Beitrag 9 aus der Diskussionsgruppe
Von:Alexander Liedtke (ccl@munich.netsurf.de)
Betrifft:Re: Rassismus der Sprache


View this article only
Newsgroups:de.org.ccc
Datum:1999/11/29

Hi,

> deshalb. Nazis werden erst dann laut, wenn sie das Gefühl haben, dass die
> anderen denken, was sie sagen.

Nazis sind dann laut wenn sie :
- besoffen sind
- im Rudel auftauchen
- im Rudel auftauchen und besoffen sind

Genau genommen sind Nazis immer laut. Wären sie es nicht,
wären sie ein größeres Problem als sie es schon sind.



Alex
Beitrag 10 aus der Diskussionsgruppe
Von:Holger Voss (hvoss@muenster.de)
Betrifft:Re: Rassismus der Sprache


View this article only
Newsgroups:de.org.ccc
Datum:1999/11/30

On Mon, 29 Nov 1999 08:54:30 +0100, Alexander Liedtke
<ccl@munich.netsurf.de> wrote:
>
>Nazis sind dann laut wenn sie :
>- besoffen sind
>- im Rudel auftauchen
>- im Rudel auftauchen und besoffen sind

Leider gibt es nicht nur die kahlrasierten, Springerstiefel und
NATO-Schneetarnhose tragenden Saufkoepfe, die Klischee-Neonazis. Das
sind nur die Idioten, die sich leichtfertig in die Gefahr
strafrechtlicher Verfolgung und gesellschaftlicher Aechtung begeben.

Nazistische Propaganda wie von Millionaer Frey, Nazismus-naher
Pseudo-Intellektualismus à la Junge Freiheit, rechtsradikale Positionen
wie bei den oesterreichischen "Freiheitlichen" oder bei der BR-deutschen
CSU, Stammtisch-Rassismus usw. - das sind die Wurzeln, aus denen sich
Faschismus entwickelt.
Waeren es nur die sich-selbst-in-die-Hose-pissenden Idioten, die wir
(live oder am Fernsehschirm) in Rostock-Lichtenhagen gesehen haben -
alles waere viel einfacher!

Wie heisst es bei Wolf Biermann:
"Der taegliche kleine Faschismus.
Der taegliche kleine Faschismus sieht
so urgemuetlich aus.
- so urgemuetlich aus."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Please respect all signed trademarks and copyrights.
Fell free to copy, download or distribute. Please repost.

 

Kostenloser Besucherzähler von InterNetWORX